Neuigkeiten aus dem Netz

Dumm
gelaufen!

Lizenz zum Schmunzeln
Glosse der Woche

Lizenz zum Schmunzeln No.153
Zahltag!

Schuld daran, dass ich meiner Frau letztes Jahr zum Hochzeitstag ein sündhaft teures Armband schenken musste, waren diese Grübchen. Sie verrieten ihn sofort: Carl-Dieter Scholz, wir nannten ihn vorzeiten Kalli. Er wohnte damals in der Nachbarschaft, war groß und stark, ich eher schmächtig und klein und mit Abstand sein Lieblingsopfer. Brillenschlange rief er mich, Beißer wegen meiner Zahnspange und Pizzagesicht wegen meiner Pubertätsakne. Er ließ keine Gelegenheit aus, mich zu drangsalieren, und ich habe mich damals nie gewehrt.
Wir wollten nur ein Schlafsofa...Nun also stand er vor mir. Nach mehr als zwanzig Jahren. Ich gehöre noch immer nicht zu den Schwarzeneggers dieser Welt, Kalli aber auch nicht. Er hatte einen Bauch, sein Haupthaar war gelichtet, und eine Brille trug er auch. Ich hätte ihn nicht wiedererkannt, wären da nicht diese Kalli-typischen Grübchen gewesen. Immer wenn er damals boshaft grinste, starrte ich auf diese Grübchen.
"Zahltag, Kalli!", rauschte es durch mein Gehirn, nachdem ich mit meiner Frau jenen Möbelmarkt am Stadtrand betreten hatte, in dem Kalli als Verkäufer arbeitete. Wir wollten uns nach einem neuen Schlafsofa umsehen, und meine Frau sprach einen Verkäufer an. Sie sprach nicht irgendeinen an, nein, sie wandte sich an Kalli!
"Was kann ich für Sie tun?", lächelte er sein Profi-Lächeln, und seine Grübchen verrieten ihn sofort.
Kalli hatte mich nicht erkannt, was meine Rachelust noch schürte. Während ich für ihn anscheinend so unbedeutend gewesen war, dass er mich längst vergessen hatte, geisterte er noch immer durch meine Kindheitserinnerungen. Mir wurde sonnenklar: Hier war noch eine Rechnung offen, und Kalli würde sie bezahlen!
Kalli führte uns alle Schlafsofas geduldig vor...Nachdem Kalli uns etliche Schlafsofas vorgeführt hatte, mischte ich mich das erste Mal in das Verkaufsgespräch ein. Ich setzte mein freundlichstes Lächeln auf. Es muss in etwa jenem Grinsen geglichen haben, das er damals immer zeigte, bevor er mich attackierte. Nachdem er uns auf ein besonders günstiges Angebot hingewiesen hatte, bemerkte ich: "Wir suchen keinen Plunder, wir suchen Qualität!"
Ich kostete seine Verblüffung aus, ließ nun anklingen, dass Geld für uns überhaupt keine Rolle spielte, bat ihn mit sadistischer Höflichkeit, noch einmal bitte alle Schlafsofas aufzuklappen, und legte mich der Reihe nach auf jedes Sofa. Meine Schuhe behielt ich selbstverständlich an. An jedem Sofa mäkelte ich genüsslich herum, nannte einige Exemplare Folterliegen für den Rücken, und sagte schließlich kühl zu meiner Frau: "Lass uns gehen! Es gibt noch andere Möbelläden mit besserer Beratung!"
Diese plötzliche Unverfrorenheit hatte meiner Frau die Sprache verschlagen. Sie schwieg verstört und machte mir erst auf dem Heimweg eine Szene. Vorher verabschiedete ich mich noch freundlich von einem völlig verschwitzten Kalli. Der überreichte mir seine Visitenkarte, falls ich noch Fragen hätte. Ich schüttelte den Kopf und versenkte seine Karte mit Siegerlächeln in der Jackentasche.
Im Auto brach es dann aus meiner Frau heraus. "Du hast dich aufgeführt wie ein Idiot!", stieß sie hervor und erwartete eine Erklärung. Ich schwieg. Es war mir im Moment unmöglich, ihr mein rüpelhaftes Verhalten Kalli gegenüber zu erklären. Erst zu Hause entschuldigte ich mich, sagte, ich wisse überhaupt nicht, was in mir vorgegangen sei, und versprach meiner Frau das sündhaft teure Armband, das sie sich so lang schon wünschte. Aber so einfach ließ sie sich nicht bestechen. Unser Ehesegen hing noch tagelang gewaltig schief.
KallisVisitenkarteNachdem meine Frau an diesem Abend ins Bett gegangen war, zog ich Kallis Visitenkarte aus der Tasche, um meinen Triumph noch einmal in aller Ruhe auszukosten. Da geschah das Unfassbare: Der Blick auf die Visitenkarte offenbarte, dass der Verkäufer Dieter Mahlmann hieß. Dieter Mahlmann klingt nun wirklich nicht nach Kalli Scholz. Aber die verräterischen Grübchen, die hat er wirklich gehabt...


Nach oben
© Alfred Krüger http://www.akrue.de/