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Lizenz zum Schmunzeln
Glosse der Woche

Lizenz zum Schmunzeln No.512
Der Märchenprinz

...warten auf den Märchenprinzen...Weihnachten und Ostern kommen immer unverhofft! Auch unser Hochzeitstag und der Geburtstag meiner Frau. Dabei bin ich alles andere als vergesslich. Trotzdem überfallen mich Familienfeste immer völlig unerwartet. Denn ich bin ein Last-Minute-Mann, einer, der auf morgen verschiebt, was er auch heute noch besorgen könnte.

Zum Beispiel die Geburtstagsgeschenke für mein Patenkind Hanna. Bisher hatte meine Frau stets Mitleid. Nicht mit mir, mit meinem Patenkind. Sie besorgte immer noch rasch ein Geschenk, auch wenn ich es dann oft nicht schaffte, das Päckchen pünktlich abzuschicken. Hannas Dank fällt deshalb meist nicht überschwänglich aus: "Vielen Dank für das Geschenk!", und "Viele Grüße!" - das ist alles!

Um so mehr freute ich mich über eine E-Mail, die mir Hanna neulich schrieb.

"Hi", begann sie ihre Nachricht und schüttete mir dann ohne Umschweife ihr Herz aus. Dass es in ihrer Klasse einen ganz süßen Jungen gebe, in den sie sich verliebt habe, teilte sie mir mit. Leider beachte dieser dumme Junge Hanna überhaupt nicht. "Bin ich denn Luft für ihn?", fragte Hanna. Ich hörte deutlich ihre Seufzer. Neulich habe sie ihm einen Schokoriegel geschenkt. Da habe der dumme Junge gesagt, er möge keine Schokoriegel, und Mädchen mit Zahnspange und Brille könne er nicht ausstehen. "Was soll ich nur machen?", fragte Hanna mich zum Schluss. "Er ist doch so süß..."

Ich war gerührt. Dass sie sich mir anvertraute, tat meinem ramponierten Patenonkel-Ego gut. Ich nahm mir vor, sofort zu antworten. Sofort heißt bei mir immer "Morgen".

"Liebe Hanna", begann ich vierzehn Tage später meine Antwort. Meine Gattin hatte sich geweigert, den Brief für mich zu schreiben. "Vermutlich ist der Junge aus deiner Klasse genauso schüchtern wie du. Er mag nicht zeigen, dass auch er dich mag."

Ich stockte. Das klang zu platt nach Hobbypsychologe Dr. Sommer. Ich seufzte tief und strich die Sätze durch. Hannas Problem war nicht der ignorante Junge. Ihr Kummer hatte einen anderen Grund. Brille und Zahnspange hießen ihr Problem!

"Es ist nicht schlimm, eine Brille zu tragen", begann ich einfühlsam noch mal von vorn. "Und die Zahnspange soll deine Zahnstellung korrigieren, damit du auch später noch kraftvoll in jeden Apfel beißen kannst."

Das klang peinlich nach Zahnpastareklame. Ich strich auch diese Sätze durch, fand, dass ich mir eine Tasse Tee verdient hätte, und ging in die Küche. Vielleicht musste auch der Müll runtergetragen oder irgendetwas repariert werden? Ich hatte Pech! Der Mülleimer war leer, und zu reparieren gab es auch nichts. Dafür quengelte meine kleine Tochter: "Liest du mir was vor?"

"Ja, ja, später!", murmelte der notorische Aufschieber in mir. Doch der fürsorgliche Vater, der auch in mir steckt, gewann für dieses Mal, und ich las meiner Tochter das Märchen von Aschenputtel vor. Welch ein Glücksfall! Denn plötzlich hatte ich in Sachen Hanna die Erleuchtung. Ich stürzte zum Schreibtisch, wo mir nun die Worte nur so aus dem Kugelschreiber flossen.

Post!Nach einer Woche schrieb Hanna mir zurück. Ihre E-Mail sei ein blödes Versehen gewesen. Sie habe sich beim Abschicken "verklickt", ich möge bitte alles löschen. Ich war entsetzt! Was mein Patenonkel-Ego dann aber völlig ramponierte, war ihr Postskriptum: "Ich bin fünfzehn!", schrieb sie mir und fügte sinngemäß hinzu, sie könne sich auch selbst veralbern. Sie drückte das nur eine Spur direkter aus.

Ich seufzte tief. Dabei hatte ich mir mit meiner einfühlsamen Antwort solche Mühe gegeben! Oder hätte ich etwa den Abschnitt weglassen sollen, in dem ich Hanna riet, nicht alles auf den Jungen aus ihrer Klasse zu setzen? Denn eines schönen Tages werde bestimmt ein reicher Königssohn an ihre Haustür klopfen, er würde eine große, rubinbesetzte Brille tragen, und eine Zahnspange aus purem Gold...

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© Alfred Krüger http://www.akrue.de/