Big Brother Awards 2005
Kandidaten gab es viele…
Zum sechsten Mal wurden heute in Bielefeld die Oskars für Datenkraken, die deutschen Big Brother Awards 2005 an Personen, Verbände und Firmen verliehen, die sich um die Aushöhlung des bundesdeutschen Datenschutzes besonders verdient gemacht haben . Über einen Mangel an preisverdächtigen Nominierungen konnten sich die Veranstalter vom FoeBuD, dem Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e.V., und die Mitglieder der Big-Brother-Jury nicht beklagen. Trotzdem fiel die Wahl in diesem Jahr vermutlich nicht besonders schwer – zumindest bei der Frage, wer den Big Brother Award 2005 für sein Lebenswerk bekommen sollte. Hier gab und gibt es vermutlich nur einen würdigen Preisträger. Sein Name: Otto Schily. Seine bisherige Funktion: Bundesminister des Inneren.
Lifetime-Award für Otto Schily
Otto Schily hat viel getan, um sich eines Big Brother Awards würdig zu erweisen. Aktuell erhält er diese Auszeichnung für die übereilte, „undemokratische Einführung des biometrischen Reisepasses, dessen Technik unausgereift und unsicher ist“, wie es in der Begründung heißt. Schily wird darüber hinaus für sein Lebenswerk geehrt. Er habe sich als Bundesinnenminister stets voll und ganz dem „Ausbau des deutschen und europäische Überwachungssystems auf Kosten der Bürger- und Freiheitsrechte“ gewidmet. Anerkennung finden zudem seine „hartnäckigen Bemühungen um die Aushöhlung des Datenschutzes unter dem Deckmantel von Sicherheit und Terrorbekämpfung“. Schily erweise sich somit als würdiger Preisträger des Big-Brother-Lifetime-Award. Herzlichen Glückwunsch, Otto Schily!
Bauernfänger
In der Kategorie Wirtschaft ging der Preis für herausragende Leistungen als Datenkrake an die Saatgut Treuhand Verwaltungs GmbH für das Anlegen einer umfangreichen Datenbank über bundesdeutsche Landwirte. Mehrere Tausend Landwirte hatten die Auskunft über die Herkunft ihres Saatgutes verweigert, die zog die Saatgut Treuhand prompt vor Gericht und wusste auch sonst, wie man an die Daten unbescholtener Bauern kommt. Genossenschaften wurden angezapft, verdeckte Testkäufe durchgeführt – alles um herauszufinden, woher die Bauern ihre Saatkartoffeln und ihr Saatgut für das jeweils nächste Jahr hernehmen. Denn für Saatgut werden selbst dann Lizenzen an die Saatgutindustrie fällig, wenn das Saatgut aus der eigenen Ernte stammt. So will es das Gesetz – ein Gesetz übrigens, das bei der Saatgutindustrie die Kassen heller klingeln lässt. Wer das nicht glaubt, der kann die absonderlichen Zustände in der bundesdeutschen Landwirtschaft in der Big-Brother-Laudatio nachlesen. Herzlichen Glückwunsch übrigens, Saatgut Treuhand Verwaltungs GmbH!
Datenschutz wird abhängig
Auch die niedersächsische Landesregierung hat sich einen Preis verdient. Sie hat bestimmt, dass die Aufsicht über den Datenschutz in der Wirtschaft ab 1.1.2006 vom niedersächsischen Innenministerium ausgeübt wird. Der unabhängige Datenschutzbeauftragte des Landes Niedersachsen hat somit eine Aufgabe weniger. Er soll künftig nur noch für die Landes- und Kommunalverwaltungen zuständig sein, die Wirtschaft wird vom Innenministerium kontrolliert. In anderen Bundesländern ist das anders. Auch EU-Recht sieht eine andere Regelung vor – was die niedersächsische Landesregierung nicht daran gehindert hat, ihren unabhängigen Datenschutzbeauftragten zu entmachten. Das ist eine schöne Leistung und einen Daten-Oskar wert. Herzlichen Glückwunsch, Landesregierung in Hannover!
Funkchips in den Eintrittskarten
Wie die Daten von Schulanfängern der Grundschule Ennigloh an die Volksbank Bad Oeynhausen und die Sparkasse Herford gelangten, ist nicht mit Sicherheit geklärt. Dass diese Daten Beine bekommen haben, reichte der Jury allerdings aus, um hier mit einem Datenkraken helfend einzugreifen. Die genannten Institutionen werden sich den Daten-Oskar teilen müssen. Einen Oskar ganz für sich allein erhält das Organisationskomitee der Fußball-WM 2006. Ihre mit RFID-Technik ausgestatteten Eintrittskarten waren in der Kategorie „Verbraucherschutz“ unschlagbar. Herzlichen Glückwunsch, Herr Beckenbauer!
Last but not least…
Weitere Preise gingen an den hessischen Innenminister Volker Bouffier u. a. für das präventive Orten und Abhören von Mobiltelefonen und an die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Schleswig-Holstein für die großflächige Zeugenfahndung mittels Handy-Ortung. Der Technik-Preis ging in diesem Jahr nicht an eine Person oder einen Verband. Geehrt wurde vielmehr die „Videoüberwachung allerorten“ – und hier gab und gibt es, wie man weiß, diverse Kandidaten, die alle eins gemeinsam haben: Sie sind ganz eifrige Überwachungsfetischisten…
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